Rheinische Post, 3. November 2014
Kindergarten zum Schulemachen
Am Anfang war Skepsis. Der graue Backstein-Klinker, nicht untypisch für den Niederrhein, erschien manchem doch arg dunkel für ein Haus, in dem sich Kinder wohlfühlen sollen. Doch die dezente Verneigung vor der Kohle-Vergangenheit war verflogen, als der neue Kindergarten Heilig Geist in Dinslaken-Hiesfeld fertig war und bezogen werden konnte.
Auch die letzten Zweifler waren da überzeugt. Begeisterung hat die Skepsis gänzlich vertrieben. Heute folgt der Ritterschlag für den Architekten Holger Hölsken (46) aus Menzelen-Ost. Das Büro Eling in Wesel, das er mit den Kollegen Thomas Breer und Rainer Ticheloven gemeinsam führt, wird im K21 Ständehaus, Kunstsammlung NRW, mit dem Kita-Preis 2014 der Architektenkammer ausgezeichnet - als hervorragendes Beispiel, das Schule machen sollte.
Der alte Kindergarten war nicht mehr zeitgemäß und viel zu klein geworden. Um ausreichend Platz zu schaffen, musste auch die alte Klosteranlage weichen. "Eine Sanierung wäre zu aufwendig und letztlich viel zu teuer gewesen", so Hölsken. Also stellte er sich mit der Kirchengemeinde St. Vincentius der Herausforderung, ein neues, modernes, wohnliches Haus für 100 Kinder zu bauen, das sich möglichst verträglich ins nachbarschaftliche Umfeld einfügt. "Die Zusammenarbeit war außerordentlich kooperativ, lebendig und vom gemeinsamen Wunsch getragen, etwas Gutes auf den Weg zu bringen", so der Architekt. Der Finanzrahmen setzte die Grenzen: zwei Millionen Euro.
Ziel war ein Gebäude, "das sich nicht aufdrängt, sich nicht selbst feiert, sondern einzig dem Zeweck dient, den Kindern ein Ort zu sein, an dem sie sich gerne aufhalten", so der Architekt über seine Philosophie. Städtebaulich kam's ihm darauf an, dass die Vier-Gruppenanlage "die Kleinteiligkeit drumherum übersetzt und maßstablich aufnimmt". Das sieht so aus: Die Fassade verliert ihre Wucht, wird unterbrochen, ist klar geliedert und vermeidet so, zu massiv zu wirken.
Die Rundung am Eingang greift die Form auf, die sich auch an der nahen Kirche und am Kloster findet. "Das nimmt man vielleicht nicht direkt wahr", so der 46-Jährige, "aber man wird's, vielleicht unbewusst, schon merken." Herzstück des Gebäudes ist die Eingangshalle, ein vielfältig nutzbarer "Marktplatz", an dem alles zusammenläuft und von wo aus lange Spielflure zu den vier Gruppenräumen führen. Die verengen sich optisch, sind in Zonen gegliedert durch schmuckvolle Garderoben aus hellem Holz. Auch diese räumlich strukturierenden Elemente sind wie die supermoderne, lackweiße, dennoch sehr kindgerechte Kücheneinrichtung im Büro Eling erdacht worden.
Der Clou sind die "Kojen", mit Kissen gemütlich ausstaffierte Nischen, in die sich Kinder zurückziehen und die Gardinen dichtziehen können. Vor jedem Eingang zu einem Gruppenraum weitet sich der Flur, von oben fällt ein üppiger Lichtkegel aus einem Kubus - fünf auffällige apfelgrüne Quader, die sich als knallig kontrastierende Blickfänge auf dem Flachdach des ruhigen, erdgrauen Komplexes erheben. Tageslicht durchflutet das Haus. Jeder Gruppenraum hat durch seine hohe Fensterfront einen direkten Zugang zur überdachten Terrasse und dahinter in die üppige Außenanlage, eine Hainbuchen-Hecke schafft natürlich begrenzte Spielräume für die ganz Kleinen. Von draußen zeigt ein mit warmem Lärchenholz chic verkleideter Wandabschnitt, frotzelnd "Kartoffelkiste" genannt, wo's in den Gruppenraum geht - zunächst durch eine "Schmutzschleuse", in der die Knirpse gefahrlos Stiefel und Buddelhosen ausziehen können.
"Uns hat das allen sehr viel Spaß gemacht", sagt Holger Hölsken, dem man die Begeisterung und den Stolz auf sein hochgelobtes Kind mit jedem Wort anmerkt. Die Idee für die Bepflanzung mit dem weiß blühenden Bodendecker vorm Haus in Hiesfeld hat er aus Rheinberg mitgemacht. Dort ist er ihm vor der Kirche St. Peter aufgefallen, wo er beruflich zu tun hatte. Gute Ideen liegen auf der Straße. Man muss sie halt aufgreifen.
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